Es ist ein großes Thema. Und eines, das trotz aller Aufmerksamkeit in den letzen Jahren immer noch so oft totgeschwiegen wird: Mobbing in der Schule (auch Bullying genannt). Sei es von Seiten der KlassenkameradInnen oder auch des Lehrpersonals – gemobbte Kinder und Jugendliche leiden, und das oft leise. Unterstützung von zuhause kann aber einen großen Schritt zur Bewältigung beitragen. Deshalb beschäftigt sich dieser Artikel mit der Frage, wie Eltern ihren Kinder im Fall von Mobbing helfen können.
Beispiele für Mobbing in der Schule
Lara hat Bauchschmerzen, und das immer öfter. Besonders stark sind die Schmerzen in der Früh, manchmal muss sie sich dabei auch übergeben. Manchmal bleibt sie dann zuhause, aber irgendwann muss sie auch wieder in die Schule gehen, sagen ihre Eltern. Der Arzt findet keine wirkliche Ursache für die Schmerzen, es scheint organisch alles ok. Doch Lara fühlt sich gar nicht ok, sie fühlt sich schlecht und klein und wertlos. Weil die Michelle in der Schule immer zu ihr sagt, sie sei hässlich und fett. Aber das sagt Lara niemanden. Es reicht, wenn es die MitschülerInnen hören.
Daniel wird in der Klasse als „Idiot“ beschimpft. Er weiß, dass er in Deutsch nicht so gut ist und das aufgrund seines sonderpädagogischen Förderbedarfs auch alle wissen. Immerhin macht er andere und einfachere Sachen in Deutsch als die anderen Kinder in seiner Klasse. Vor allem die anderen Burschen aus seiner Klasse beschimpfen ihn. Manche haben auch schon ein Handy und machen Videos davon, wie er von René, dem größten in der Klasse, geärgert und geschubst wird. Daniel will zuhause nichts sagen, weil er sich schämt. Deshalb weint er sehr oft heimlich in seinem Zimmer oder am WC in der Schule.
Zahlen und Fakten
Solche Szenen klingen nicht nur dramatisch, sie sind trauriger Alltag von etwa 18% der Schülerinnen und Schüler (OECD-Schnitt; Stand 2015). Das heißt, dass jedeR fünfte bis sechste SchülerIn von Mobbing innerhalb der Schule betroffen ist. Österreich führt seit vielen Jahren leider das obere Feld dieser Statistik an, Deutschland und die Schweiz liegen leicht unter dem OECD-Schnitt.
Verbale Gewalt wie Beleidigungen oder Herabwürdigungen kommt dabei am häufigsten vor, aber auch soziale Gewalt (Abschottung von Freunden) und physische Gewalt (Schlagen, Schubsen) erfahren Kinder und Jugendliche zu oft. Ein großes Problem der letzten Jahre ist Cybermobbing – dabei wird das Mobbing gänzlich oder teilweise ins Internet verlagert. Durch die schnellen Verbreitungsmöglichkeiten und die häufige Anonymität der Täter nimmt es oft drastische Ausmaße an (z.B. Verbreitung von peinlichen Videos über Whatsapp).
Und das bedeutet nicht nur eine unglaubliche Herausforderung für die SchülerInnen selbst und für die Schulen, sondern auch für die Eltern dieser Kinder und Jugendlichen. Generell ist Mobbing in der Schule eine Sache, die nicht nur einzelne Personen, sondern immer ein ganzes System etwas angeht – eigentlich sogar eine ganze Gesellschaft. Mobbingprobleme lassen sich langfristig nicht durch Einzelkämpfer lösen, sondern durch großflächige Präventions- und Interventionsprogramme, die von Seiten der öffentlichen Hand auch mitfinanziert werden. Vor allem braucht es innerhalb der Schulen gut ausgebildete und aufmerksame LehrerInnen, welche die „Null-Toleranz-gegen-Gewalt“ – Haltung mit viel Fingerspitzengefühl umsetzen.
Doch auch Eltern sind Teil des notwendigen Unterstützungssystems, welches Opfer von Mobbing an Schulen benötigen. Sie können ein wichtiger Anker für das betroffene Kind sein und durch Rückhalt und Interventionen viel ins Rollen bringen. Im Folgenden möchte ich einige konkrete Möglichkeiten benennen und aufzeigen, wie Eltern ihren gemobbten Kindern helfen können.
Elterliche Hilfe bei Mobbing in der Schule
Mobbing kann für Kinder extrem belastend und auch traumatisch sein. Es greift den Selbstwert an und destabilisiert. Der Ort, an dem sie für gewöhnlich viel Zeit verbringen – nämlich die Schule – wird so zu einem gefährlichem Terrain. Daher brauchen Kinder, die Mobbing in der Schule erfahren, einen umso stabileren, sicheren Hafen zuhause. Die folgenden zehn Schritte sollen dabei unterstützen, dieser Hafen zu sein und dem Kind wieder seine Handlungsfähigkeit zurück zu geben.
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Auf Anzeichen achten
wie in den oberen Beispielen ersichtlich wird, schämen sich Kinder sehr oft dafür, Mobbingopfer zu sein. Sie sagen oft nichts bzw. sehr spät und versuchen, die Sache selbst zu regeln oder es durch Ignorieren zum Verschwinden zu bringen. Viele haben Angst, dass ihnen niemand glaubt und die Schikane an anderer Stelle weitergeht. Doch obwohl sie schweigen, bleiben die negativen Erlebnisse nicht ohne Folgen: sozialer Rückzug, Gefühlsausbrüche, psychosomatische Beschwerden oder Leistungsabfall können Begleiterscheinungen sein.
Manchmal steigt auch das Konfliktpotential zuhause, oder es entwickeln sich Ängste davor, in die Schule zu gehen. Es kann auch zu selbstverletzendem Verhalten (z.B. Ritzen) kommen, oder das Aggressionspotential anderen gegenüber steigt. Auf alle Fälle ist es ratsam, als Elternteil seine Antennen weit auszustrecken und genau hinzuschauen und hinzufühlen, wie es dem Kind geht.
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Vermutungen ansprechen
Kommunikation ist der Schlüssel zu so vielem – auch hier. Hat man den Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmt, sollte man das Kind vorsichtig darauf ansprechen. Hierbei reicht es oft schon, wenn man ihm durch die Formulierung der eigenen Beobachtung einen Ball zuspielt (z.B. „Ich merke, dass du dich in letzter Zeit viel in dein Zimmer verkriechst und habe das Gefühl, es geht dir nicht gut“ oder „Du wirkst so wütend auf mich in den letzten Tagen. Gibt es irgendetwas, was dich bedrückt und du mir erzählen möchtest?“).
Vielleicht ist es auch notwendig, die Beobachtungen mehrmals anzusprechen, aber es zeigt, dass man als Elternteil bereit ist, hinzuschauen und zuzuhören. Natürlich kann es sein, dass hinter dem Verhalten keine Mobbingerfahrung steckt, sondern eine übliche pubertäre Identitätskrise. Aber selbst dann hat man mit dem Ansprechen nichts falsch gemacht, sondern Raum für gemeinsame Gespräche eröffnet.
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Dem Kind glauben
Sollte das Kind von Mobbing in der Schule berichten, steht einmal eine Sache absolut im Vordergrund – nämlich ihm zu glauben. Es ist erschreckend, an wie viele Menschen sich misshandelte Kinder manchmal wenden müssen, bevor ihnen jemand glaubt. Das ist im Falle von Mobbing leider nicht viel anders. Schnell ist man geneigt, die Sache mit plumpen Tipps wie „Dann musst du dich halt einmal durchsetzen“ oder gar „Du darfst die anderen halt nicht provozieren“ abzutun – in der Hoffnung, dass es einfach nicht so schlimm ist. Dem Kind ist damit natürlich nicht geholfen und die Chance, dass es einem wieder etwas erzählt, verringert sich.
Auch, wenn es für einen selbst nicht so tragisch wäre bzw. wenn man nicht genau weiß, welche Dynamiken sich wirklich abspielen: zeigen Sie Verständnis und geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass Sie es ernst nehmen. Damit allein bieten Sie schon die notwendige Sicherheit, die ein Kind in der Situation braucht. Alleine der Satz „Das muss furchtbar belastend für dich sein“ vermittelt dem Kind, dass sie seine Situation wahrnehmen und anerkennen.
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Sagen, dass ihm Unrecht geschieht
Oftmals haben Mobbingopfer das Gefühl, dass sie selbst an der Misere schuld sind und schämen sich. Die Attacken greifen das Selbstvertrauen oft so sehr an, dass sich das Kind alles Schlechte zuschreibt und den Tätern glaubt, die vielleicht meinen, es sei dumm/dick/ekelhaft/etc. Dann ist es wichtig, die Welt wieder etwas gerade zu rücken und die „Null-Toleranz-Haltung“ zu zeigen. Das bedeutet, zu sagen, dass es nicht in Ordnung ist, dass es beschimpft wird. Dass es absolut nicht geht, dass ihm jemand die Schultasche wegnimmt und wegwirft. Dass niemand das Recht hat, jemanden herum zu schubsen. Dass niemand peinliche Fotos von jemandem einfach herumschicken darf. Dass es nicht schuld ist, dass es so schlecht behandelt wird, sondern ihm Unrecht geschieht. Dass Gewalt und Beleidigungen einfach nicht akzeptabel sind und man sich gemeinsam mit ihm darum kümmern wird, dass dieses Unrecht ein Ende hat. Kinder müssen dies durchaus öfter hören, damit sie es annehmen können. Bei Jugendlichen hilft oft auch ein Blick ins Strafrecht, das solche Übergriffe ganz klar als Straftat deklariert. Es geht nicht darum, Dinge gleich zur Anzeige zu bringen, sondern zu vermitteln, dass es sich nicht mit diesen gemeinen Handlungen arrangieren muss.
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Gespräch mit LehrerInnen suchen
Bei Mobbing in der Schule kommt man nicht darum herum, ein Gespräch mit den zuständigen Lehrpersonen zu suchen. Schließlich betrifft es ein gesamtes System, in welchem diese entscheidende Rollen einnehmen und im Falle von Mobbing auch regieren müssen. Ob das Kind bei diesem Gespräch dabei sein möchte oder nicht, darf es selbst entscheiden. Wichtig ist, dass ein Treffen bald passiert, denn jeder weitere Tag in der Schule, an dem nichts geschieht, kann für das Kind furchtbar sein. Zeigen Sie auch vor den Lehrpersonen Haltung und vertreten Sie auch hier, dass sie Übergriffe von anderen auf Ihr Kind nicht dulden wollen und werden.
Wenn es Vertrauens- oder BeratungslehrerInnen an der Schule gibt, sollten diese zu so einem Gespräch gleich hinzugezogen werden, da sie für die Mobbing-Thematik oft sensibilisiert und ausgebildet sind. Weihen Sie ihr Kind in die Schritte und Gespräche ein! Es kann natürlich vorkommen, dass ein Kind Angst davor hat, dass der Lehrer / die Lehrerin vom Mobbing erfährt. Das ist verständlich, da es fürchtet, dass nun alles nur noch schlimmer wird. Es ist aber wichtig, ihm klar zu machen, dass es Gewalt ausgesetzt ist, man hierbei nicht zuschauen kann und es Hilfe gibt. Tatsächlich können viele Mobbingfälle gut gelöst werden, wenn sie professionell angegangen werden.
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Externe Hilfen organisieren
Egal ob schon vor einem LehrerInnengespräch oder danach – externe Hilfen hinzuzuziehen, ist von Vorteil. Zum einen gibt es vielleicht Personen, die bei der Lösung der Konflikte einen entscheidenden Schritt beitragen können, wie zum Beispiel ÄrztInnen oder MediatorInnen, aber auch FreundInnen. In vielen Fällen werden schon von Seite der Schule Unterstützungssysteme hochgefahren. Das können MitschülerInnen sein, die das Kind begleiten, oder auch VertrauenslehrerInnen, die sich der Sache annehmen. Wenn einem Menschen Gewalt angetan wird, ist das oberste Gebot, ihn zu schützen, und Netzwerke können dafür Sorge tragen.
Zum anderen hat das Kind ja auch schon negative Dinge erlebt, die gut aufgearbeitet und integriert werden sollten. Je nach Dauer und wahrgenommener Heftigkeit des Mobbings in der Schule zeigt es vielleicht posttraumatische Symptome und ist in seinem Selbstwert geschwächt. Bereits einige Einheiten an therapeutischer Begleitung können darin unterstützen, Symptome und Ängste zu lindern und das Kind in seiner Regeneration zu fördern
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Die Fähigkeiten des Kindes stärken
Abgesehen von einer professionellen Unterstützung können aber auch Sie hilfreich intervenieren, indem Sie dem Kind helfen, seine Handlungsfähigkeit wiederzufinden. Traumatische Erfahrungen zeichnen sich meist durch ein Gefühl von Hilflosigkeit und Kontrollverlust aus. Bei Mobbing in der Schule kommt noch die erlebte Erniedrigung hinzu, die sich gefährlich auf das Selbstwertgefühl auswirkt. Indem Sie das Kind Dinge tun lassen, die es gut kann, wirken Sie diesen Gefühlen entgegen.
Dabei ist natürlich ein hohes Maß an Selbstbestimmheit notwendig. Das heißt: das Kind soll Raum für sich und seine Fähigkeiten bekommen, aber stets selbst entscheiden können, was es machen will. Unterstützung in jeglicher Hinsicht ist angebracht, um dies zu ermöglichen. So kann es wieder Selbstwirksamkeit und Selbstbemächtigung erleben – auch wenn es „nur“ nach ein wenig Freizeitbeschäftigung aussieht.
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Gemeinsame Entscheidungen treffen
Die Lösung eines Mobbingskonflikts kann sich oft länger hinziehen und auch ganz unterschiedlich aussehen. Manchmal kann auch ein Klassen- bzw. Schulwechsel zur Debatte stehen. Hiervon wird oft abgeraten, weil es das Problem oft nur verschiebt und nicht löst. Dem stimme ich prinzipiell zu, und dennoch kann es in den einen oder anderen Fällen das Mittel der Wahl sein.
Wichtig ist, ein Kind in solche Entscheidungen mit einzubinden. Denn auch wenn man als Elternteil einen Wechsel für sinnvoll erachtet, könnte er für das Kind nicht erstrebenswert sein (weil es sonst zum Beispiel die beste Freundin verliert, die eine wichtige Person darstellt). Auch die Entscheidung, sich dem Täter/der Täterin konfrontativ zu stellen, muss von Seiten des Kindes kommen. Alles andere wäre überrumpelnd und fremdbestimmtes Vorgehen und gerade in so einem Fall kontraproduktiv.
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Darüber reden
Nichts erleichtert Menschen so sehr, als wenn sie jemanden haben, mit dem sie über ihre Sorgen und Ängste reden können. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Hat Ihnen Ihr Kind einmal von dem Mobbing in der Schule erzählt, ist der Anfang gemacht. Schaffen Sie eine offene Gesprächsatmosphäre, damit es auch weiterhin von seinen Gefühlen berichtet.
So erfährt man zum einen den Status, wie es gerade in der Schule läuft, ob es wieder einen Übergriff gab, was ihm geholfen hat oder welche Schritte es selbst gesetzt hat, und gibt ihm das Gefühl, gehört und ernst genommen zu werden. Natürlich sollten Sie das Kind nicht nötigen, ständig zu berichten – aber seien Sie da, wenn es reden will und fragen Sie hin und wieder nach, wie es läuft. So zeigen Sie Interesse, ohne zusätzlichen Druck auf das Kind aufzubauen.
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Strukturen aufrecht erhalten
Es ist einer der wesentlichsten Punkte der elterlichen Begleitung traumatisierter oder seelisch verletzter Kinder. Nichts gibt einem Menschen so viel Sicherheit wie gewohnte Strukturen. Läuft zumindest zuhause alles weiter wie bisher mit denselben Regeln, Rechten und Pflichten, gibt dies ein Gefühl von Stabilität. Es zeigt, dass es einen Ort gibt, an dem man sich auf andere verlassen kann. Daher ist es auch im Hinblick auf Erfahrungen von Mobbing in der Schule wichtig, dass zuhause das Leben in gewohnten Bahnen weitergeht.
Auch wenn man dazu geneigt ist, Kinder angesichts schlimmer Erlebnisse vor weiteren Anstrengungen oder unliebsamen Pflichten schützen zu wollen, so nimmt man ihnen damit aber auch ein Stück Stabilität und Normalität. Auch sich selbst als Elternteil drastisch zu ändern und sich nicht an gewohnte Rituale oder Verhaltensweisen zu halten, kann verunsichern. Sorgen Sie dafür, dass sich zumindest zuhause die Welt in gleicher Art und Weise weiterdreht wie bisher!
Herausforderungen
Mobbing in der Schule ist großer Stress – nicht nur für die Kinder, auch für das Umfeld. Und so eine belastende und komplexe Situation bringt natürlich auch Stolpersteine mit sich. Eltern haben hierbei durchaus mit großen Herausforderungen zu kämpfen, wie zum Beispiel:
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Mobbing erkennen
Wie oben schon beschrieben, ist Mobbing für Kinder oft sehr schambehaftet und sie versuchen es, zu verheimlichen und mit sich selbst auszumachen. Je nachdem, wie gut ihnen das Versteckspiel gelingt, ist es wirklich schwierig zu erkennen, was sie durchmachen. Natürlich bemüht man sich als Elternteil, Augen und Ohren offen zu halten, aber oft liegt es nicht auf der Hand, was vorgeht. Vor allem während der Pubertät wirken die Symptome oft entwicklungstypisch und man hinterfragt sie nicht weiter.
Hilfreich ist dennoch, Auffälligkeiten immer sensibel anzusprechen (im besten Fall ist alles ok) und für ein offenes Gesprächsklima und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu sorgen, sodass die Kinder hoffentlich von sich aus kommen und über ihre Erlebnisse sprechen.
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Selbst zu betroffen / emotional sein
Wenn man erfährt, dass dem eigenen Kind Unrecht getan wird, dass es beschimpft und gehänselt und vielleicht sogar körperlich attackiert wird, ist es nur verständlich, dass man selbst wütend wird. Der elterliche Beschützerinstinkt ist hierbei stark ausgeprägt und die Verletzung des Kindes auch für die Eltern spürbar. Das ist normal. Wichtig ist aber, die Fassung und emotionale Stabilität nicht zu verlieren. Dem Kind ist nicht geholfen damit, wenn die Eltern nun in blinde Wut oder Hilflosigkeit verfallen – sie brauchen einen starken Anker, der sie hält. Im Rausch der Emotionen ist man aber nur bedingt handlungsfähig. Diese Hilflosigkeit spürt das Kind vermutlich ohnehin selbst, daher wäre es kontraproduktiv, wenn nun auch die Eltern nicht mehr richtungsweisend sein können.
Das heißt nicht, dass man seine Gefühle unterdrücken soll, man kann sie dem Kind gegenüber auch formulieren („Was du erzählst, macht mich zornig, weil ich nicht möchte, dass dir jemand so etwas antut“). Merkt man jedoch, dass einen die Emotionen überwältigen und man selbst plötzlich sehr involviert ist in die Opferrolle, wäre es angebracht, sich professionelle Unterstützung zu holen. Manchmal sind es eigene Mobbingerfahrungen, die hier angetriggert werden, manchmal übermannen einen die Ängste. In jedem Fall ist es gut, sich mit den eigenen, heftigen Gefühlen auseinander zu setzten, um den Halt für das Kind gewährleisten zu können.
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Vorschnelle Drohungen und rechtliche Schritte
Gerade wenn die eigenen Emotionen mit einem durchgehen, ist man geneigt, unüberlegte Handlungen zu tätigen. Auch das ist normal und verständlich, doch die Folgen sind meist kontraproduktiv. In den meisten Fällen hat die Schule ein Konzept, nach dem sie bei Mobbingfällen vorgeht, und eigens dafür ausgebildete LehrerInnen. Diese Konzepte sind ein guter Leitfaden und ermöglichen häufig einen Stopp der Mobbingattacken. Was diesen Schritten aber entgegensteht, sind vorschnelle Handlungen von Eltern betroffener Kinder. Drohungen dem Täter und seiner Familie gegenüber bewirken meist, dass diese Fronten aufbauen und so eine Lösung erschweren.
Sollte ein strafmündiger Täter auch nach intensiver Intervention noch nicht mit dem Mobbing aufhören, so sehen die Konzepte ohnehin rechtliche Schritte gegen ihn vor bzw. kann man dann immer noch eine Anzeige in Betracht ziehen. In vielen Fällen ist das aber gar nicht nötig. Im Sinne des eigenen Kindes, für den ein Rechtsstreit sehr aufreibend sein kann bzw. den ein Streit auf Elternebene zusätzlich belastet, wird zu Besonnenheit und schrittweisem Vorgehen geraten. Es ist konstruktiver, sich an geschultes Personal zu wenden und sich auf seine Rolle als Stütze für das Kind zu konzentrieren.
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Untätigkeit von anderen
Dies ist tatsächlich ein Problem, dass einen als Elternteil an die Grenzen bringen kann. Wenn das Lehrpersonal bei Mobbing in der Schule nicht oder unzureichend reagiert, wenn die negativen Erfahrungen des Kindes nicht ernst genommen werden und sich niemand zuständig zeigt, steht man vor großen Hürden. In dem Fall kann man sich nämlich nicht auf strukturiertes Vorgehen und Unterbindung des Mobbings verlassen und steht quasi mit dem Kind allein auf weiter Flur. In so einem Fall rate ich zur Einschaltung einer höheren Instanz, wie zum Beispiel dem schulpsychologischen Dienst oder dem Bezirksschulrat.
Laut den Bildungsministerien sind Schulen mittlerweile dazu angehalten, Mobbingfälle ernst zu nehmen und sich gemäß den herausgegebenen Richtlinien zu verhalten. Geschieht das nicht, könnte sich eine Schule damit große Probleme von oben zuziehen. Als Elternteil kann man also das Lehrpersonal auf seine Verantwortung und die Forderung einer Null-Toleranz-Haltung aufmerksam machen. Hilft das und auch das Einschalten weiterer Stellen nicht, ist es vielleicht hilfreich, einen Schulwechsel anzudenken. Dann kann man sich gleich nach einer Schule umsehen, die Kinder vor Mobbingattacken zu schützen weiß.
Eltern als wichtige Stütze
Mobbing in der Schule ist eine große Belastung, auch für Eltern. Obwohl sie oft selbst emotional betroffen sind, sollen sie dem Kind eine Stütze sein und Rückhalt geben. Die Abgabe der Handlungsverantwortung an das Lehrpersonal steht oft entgegengesetzt zu dem Wunsch, das Kind sofort vor Ungerechtigkeit beschützen zu wollen. Dieser Spagat ist nicht immer leicht und bedarf manchmal auch Unterstützung von außen. Wenn man aber die Punkte, die Eltern für ihr Kind im Falle von Mobbing tun können, beachtet, wird deutlich, dass man alleine durch „Da-sein“, gemeinsame Gespräche und eine klare Haltung viel erreicht.
Und als Hoffnungsschimmer möchte ich allen Eltern eines ans Herz legen: Kinder sind oft stärker als man glaubt. Mit ein wenig Hilfe von außen und evtl. therapeutischer Unterstützung meistern sie auch solche belastenden Lebensabschnitte. Oft steckt so viel Kraft in einem jungen Menschen – sie brauchen nur die Gewissheit, dass jemand da ist, der sie fängt, wenn sie fallen. Geben Sie Ihrem Kind diese Gewissheit und seien Sie die weiche Matte hinter ihm. Es wird das weiche Einsinken schätzen und den Schub nach vorne nutzen, um sein Leben zu gestalten!