Eine gute, sichere Bindung zwischen Eltern und Kindern ist ein schützender Faktor für das weitere Leben. Besonders in den letzen Jahren hat sich der Fokus stark auf bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung verschoben, was aus Sicht der Entwicklungspsychologie sehr erfreulich ist. In dem Artikel möchte ich weniger über die grundlegende Haltung der Bindungsorientierung schreiben, sondern ganz konkrete Tipps für Aktivitäten geben, die die Eltern-Kind-Beziehung stärken.
Womit lässt sich die Eltern-Kind-Beziehung stärken?
Kuscheln
Dass Körperkontakt die Bindung stärkt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Man kommt sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes nahe – sowohl körperlich, als auch psychisch. Mit angenehmen Körperkontakt geht eine erhöhte Ausschüttung des Neurotransmitters Oxytocin einher, das landläufig auch als „Kuschelhormon“ bezeichnet wird. Es sorgt unter anderem dafür, dass sich Menschen beieinander geborgen fühlen und sich aneinander binden.
Sich gegenseitig zu berühren – egal ob durch kuscheln, streicheln, massieren oder auch spaßhaftes Rangeln – stärkt daher die Bindung zweier Menschen enorm. Kinder, die viel Körperkontakt zu ihren Eltern haben, sind ruhiger, selbstsicherer und weisen eine stabilere Bindung auf. Bereits bei Babies kann man durch viel Tragen und häufiges gegenseitiges Spüren die Mutter-Kind-Bindung positiv beeinflussen – selbiges gilt natürlich auch für den Vater.
Nur bitte: Kuscheln bzw. jeglicher Körperkontakt muss auf beidseitigem Einverständnis beruhen. Den anderen zum Knuddeln zu Drängen, weil es heißt, das ist gut für die Bindung, bewirkt wegen der Grenzüberschreitung das Gegenteil.
Spielen
Spielen ist wichtig für die Entwicklung! Und zwar nicht nur für jene des Menschen, sondern auch unzählige Säugetierarten spielen während ihrer Kindheit und Adoleszenz. Natürlich geht es hierbei um die Förderung der kognitiven Fähigkeiten und der sozialen Kompetenz. Aber beim gemeinsamen Spielen kann man ebenso die Bindung fördern.
In erster Linie ist der Faktor, dass man zusammen Zeit verbringt, wesentlich dafür. Aber auch die Tatsache, gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten und den anderen an seinen Gefühlen teilhaben zu lassen, sind stärkende Elemente. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um ein Konkurrenzspiel handelt (wie Kinder verlieren lernen können, steht hier) oder um ein freies Rollenspiel – entscheidend ist die Zeit, das Einlassen aufeinander und natürlich die Gelegenheit, miteinander zu lachen. Spielen, um die Eltern-Kind-Beziehung zu festigen, ist doch ein ganz angenehmer Zeitvertreib, oder?
Zusammen kochen
Können Sie sich vielleicht noch daran erinnern, wie Sie als Kind der Mutter oder der Oma beim Backen geholfen haben? Bei mir werden da liebevolle Erinnerungen wach, für die ich meiner Familie sehr dankbar bin.
Gemeinsam an einem leckerem Ziel zu arbeiten schafft Zusammenhalt, und Zusammenhalt stärkt die Beziehung. Schritt für Schritt erschafft man gemeinsam ein kulinarisches Kunstwerk, an dem man sich später erfreuen kann. Dabei ist es egal, ob es das Kekse backen mit der Oma, das Kochen eines Nudelgerichts mit Papa oder das Ausprobieren eines neuen Suppenrezepts mit den besten Freunden ist – entscheidend ist der Prozess, in der Küche zusammen zu arbeiten.
Dabei werden übrigens auch alle Sinne umfassend angesprochen. Der Duft aus dem Backofen, das Kneten des Teiges, der Geschmack auf der Zunge, das Bruzzeln in der Pfanne und der Anblick der fertigen Torte – kochen und backen umfasst alle Sinneswahrnehmungen. Durch diese umfassende Aktiviertheit ist man dann auch besonders empfänglich für soziale Signale. Entspanntes und angenehmes gemeinsames Kochen ist also ein guter Weg, um sich nah zu sein und zu bleiben.
Gemeinsam chillen
Druck aus dem Alltag zu nehmen, tut nicht nur allgemein gut, sondern auch einer Beziehung. Stärken Sie also die Bindung zueinander durch gemeinsames Abschalten und Chillen.
Das kann man mithilfe eines gemütlichen Fernsehabends tun, bei einem entspannten Tag am Strand, oder bei einem kuscheligen Nickerchen auf der Couch. Denn auch wenn man glaubt nichts zu tun, so tut man doch einiges! Entspannung hat nämlich einen nachhaltigen Einfluss auf die Konzentration der Stresshormone im Körper. Sind diese zu hoch, können sie bei der Ausbildung eines positiven Gefühls anderen Menschen gegenüber störend sein. Entspannung beugt dem vor und schafft eine angenehme zwischenmenschliche Atmosphäre.
Lassen Sie also mal Arbeit Arbeit sein, und gönnen Sie sich und Ihrem Kind eine kurze gemeinsame Auszeit. Das gemeinsame Runterfahren wird sie nicht nur individuell entstressen, sondern auch die Beziehung zueinander stärken.
Raus in die Natur
Ich muss Ihnen wohl kaum erklären, wie leicht man kleine Kinder in der Natur begeistern kann, oder? Jeder Schmetterling, jede bunte Blume, jeder Ast und jeder Vogel ist faszinierend. Auch größere Kinder wie auch Erwachsene können in der Natur noch die kleinen Wunder entdecken!
Lassen Sie sich also zusammen darauf ein, auf Abenteuerjagd zu gehen. Haben Sie schon einmal die geteilte Freude erlebt, wenn man im Wald einen Fuchs erblickt oder beim Wandern einen Steinbock? Oder mit einem Körbchen voller Himbeeren nach Hause kehrt? Solche Entdeckungen stärken die Verbindung zueinander, weil gemeinsame positive Erlebnisse dafür sorgen, dass man dem anderen auch positive Dinge zuschreibt.
Außerdem bieten sich dabei auch wieder Gelegenheiten, zusammen Zeit zu verbringen, zu lachen und zu staunen. Weiters wirkt Bewegung in der Natur beruhigend und reduziert den Stress.
Musik machen
„Musik ist die gemeinsame Sprache der Menschheit“, sagte schon der der Dichter Longfellow. Und Recht hatte er! Denn Musik ist in der Lage, uns zusammenzuführen, auch wenn wir kein Wort sagen.
Es ist mittlerweile wissenschaftlich untersucht, wie Musik im Gehirn verarbeitet wird. Unter anderem findet in unserem limbischen System Aktivierung durch Musik statt. Dort werden auch unsere Emotionen verarbeitet. Somit ebnen wir unseren Gefühlen den Weg, wenn wir dabei Musik hören und machen. Auch das Belohnungssystem ist hochaktiv, und beim gemeinsamen Musizieren wird – wie bei Körperkontakt – Oxytocin ausgeschüttet. Musik führt zu positiven Emotionen, was zusammen erlebt dann wiederum die Eltern-Kind-Beziehung stärkt.
Aber auch die Synchronisation und gleichartige Bewegung zu einem Takt fördert das Miteinander. So entstehen tiefe soziale Verbindungen, wenn sich zwei oder mehr Menschen zur gleichen Musik bewegen. Das gilt für gemeinsames Musizieren genauso wie für gemeinsames Tanzen. Es ist also sehr einfach, Bindung durch das Medium Musik zu fördern, da es unserem Gehirn unter Musik sehr leicht fällt, positive Verbindungen zueinander herzustellen.
Sich über die kleinen Dinge des Alltags freuen
Nicht nur in der Natur, auch im alltäglichen Geschehen passieren ständig wundersame Dinge. Wer zusammen die Aufmerksamkeit auf diese richtet, wird viel Grund zur Freude haben.
Nicht nur, dass man so dem Gegenüber Aufmerksamkeit schenkt. Oft entsteht daraus die Gelegenheit, zusammen zu lachen oder kreative Ideen zu entwickeln, was wiederum die Bindung zueinander festigt. Ein lustiges Bild in der Zeitung, eine gelungene Rolle auf der Wiese oder das Finden des verlorenen Socken: nehmen Sie die kleinen Dinge des Alltags zum Anlass, miteinander zu reden, zu lachen und zu überlegen.
Zusammen zu basteln oder zu malen kann auch Anlass dazu sein, sich zu freuen. Und Kinder ist es meist sehr wichtig, dass sie die Eltern mit ihren Kunstwerken beschenken dürfen. Zeigen Sie Respekt den Werken gegenüber, sammeln Sie diese in einem Regal oder einer Mappe. Für die Eltern-Kind-Beziehung ist es förderlich, wenn Sie diese Geschenke mit der gleichen Sorgfalt behandeln wie Ihr Kind, denn für das Kind ist alles, was es erschafft, es selbst.
Süßes Essen gehen
Ja, Liebe geht durch den Magen. Bindung auch! Gerade wenn die andere Person eine Naschkatze ist, kann so ein gemeinsames Schlemmen viel bewirken.
Ursache dafür ist vermutlich der Zucker, der im Belohnungssystem zur Ausschüttung von Dopamin führt. Dadurch fühlt man sich zufrieden und positiv gestimmt. Erlebt man eine solche Phase gemeinsam, dann stärkt das die Verbindung zwischen zwei Menschen.
Für Kinder ist es ja oftmals etwas ganz Besonderes, etwas Süßes essen zu gehen. Ständig möchte man es haben, und so oft wird es verboten. Wie groß ist dann die Freude darüber, wenn man mit den Eltern zusammen ein riesengroßes Eis verputzt? Ich habe in meiner Arbeit mit bindungsgestörten Kindern die härtesten Fronten tatsächlich genau damit eingerissen! Denn Menschen, die mit einem Eis, Torte oder Apfelstrudel mit Vanillesoße essen gehen, muss man einfach mögen, oder? 😉
Natürlich soll das keine Aufforderung sein, sich jetzt für eine gestärkte Beziehung jeden Tag Unmengen an Zucker und Kalorien hinein zu stopfen. Aber an einem Sonntag oder nach der Schule einmal in der Konditorei des Vertrauens einzukehren und sich Zeit für eine Leckerei und ein nettes Gespräch zu nehmen, darf schon mal drin sein. Schlemmen für eine sichere Mutter-Kind-Bindung bzw. Vater-Kind-Bindung, das klingt doch angenehm, nicht wahr?
Zusammen mutig sein
Haben Sie schon einmal gemeinsam eine herausfordernde oder gar gefährliche Situation gemeistert? Dann wissen Sie wahrscheinlich, wie sehr so etwas zusammen schweißt!
Das gemeinsame Schaffen von angstmachenden Situationen bewirkt bindungsfördernde Prozesse. Schon die Traumaforschung zeigt, dass kollektive Traumata leichter zu bewältigen sind, weil das gemeinsame Erleben nicht nur eine Gesprächsbasis bietet, sondern man weiß, dass man nicht alleine ist. Manchmal ist auch großes gegenseitiges Vertrauen nötig, um eine Situation zu bestehen, und jemanden, der an einen glaubt.
Nicht umsonst haben erlebnispädagogische Maßnahmen eine Stärkung der Beziehung zur Folge. Möglichkeiten, seine Bindung durch gemeinsames Mutig-Sein zu fördern, können zum Beispiel sein: Klettern, im Wald zelten, einen Nachtspaziergang machen, Achterbahn fahren oder über einen Bach springen. In Ihrem Umfeld befinden sich bestimmt genug potenzielle aufregende Aktivitäten, die durch gemeinsames erleben die Bindung stärken.
Lachen
Lachen – es ist DER soziale Klebstoff! Zusammen zu lachen ist nicht nur erheiternd und gesund, es fördert auch die Bindung.
Der Grund liegt in dem großartigen Hormoncocktail begründet, den unser Hirn beim Lachen ausschüttet. Durch diese sinkt der Blutdruck, und eine kollektive Beruhigung setzt ein. In entspannten Situationen fühlen wir uns wohl und auch eher zu den anwesenden Personen hingezogen. Beim Lachen handelt es sich um einen angeborenen Reflex, der schon bei kleinen Babies dazu führt, dass man lieber gemeinsam statt einsam ist. Es sorgt für stabile soziale Beziehungen und festigt Bindungen.
Lachen Sie zusammen daher so oft wie möglich. Blödeln Sie mit ihrem Kind herum, machen Sie lustige Sachen, sehen Sie sich mal wieder einen witzigen Film an und produzieren Sie selbst beim Lernen Unsinnsätze. Der Effekt, den Lachen auf unsere Bindung hat, ist nicht als groß genug zu bewerten.
Bindung stärken leicht gemacht
Ohne jetzt näher auf die Haltung einer bindungsorienterten Erziehung eingegangen zu sein (Beziehung = Erziehung), so habe ich Ihnen doch 10 einfach umzusetzende, konkrete Tipps zur Stärkung der Bindung aufgezeigt. Diese ersetzen natürlich nicht eine grundsätzlich liebevolle und bedürfnisorientiere Zuwendung, aber sorgen in jedem Fall dafür, stärker zusammen zu wachsen. Gerade im Beziehungsaufbau helfen diese Aktivitäten, um einen guten Draht zueinander entwickeln zu können.
Diese Tipps sind natürlich nicht nur für die Stärkung von Eltern-Kind-Beziehungen relevant. Sie können auf jegliche soziale Bindung umgelegt werden – ob Partnerschaften, Freundschaften oder Kollegschaft. Auch – oder gerade – in der Betreuung von fremden Kindern helfen diese 10 Tipps zur Bindungsstärkung, schnell eine gute Beziehung zueinander aufzubauen, obwohl man sich doch noch recht fremd ist.
Viele von Ihnen werden diese Tipps im Alltag ohnehin anwenden, ohne groß darüber nachzudenken. Einfach deshalb, weil Sie die positiven Wirkungen spüren können und Freude an einer guten Bindung zueinander haben. Zuviel davon gibt es kaum – denn sichere Bindung schafft stabile Beziehungen. In diesen liebt man das Miteinander, kann aber auch gut ohne einander. Eine starke Bindung ist das Gegenteil von emotionaler Abhängigkeit. Denn es ist das Wissen und Vertrauen vorhanden, dass die Beziehung aufrecht bleibt, auch wenn der andere gerade nicht da ist. Und für dieses Vertrauen lohnt sich jede Minute, die man mit beziehungsfördernden Aktivitäten verbringt!